Montag, 26. September 2011

sunlight going down

Der schönste Moment eines Tages ist, wenn die Dämmerung einsetzt. Sanft der Sonne das Licht nimmt und der Nacht die Dunkelheit. Das ist die Tageszeit, in der ich lebe. Wenn sich der Himmel orange färbt und die Lichter der Stadt beginnen zu blinken. Manchmal fährt man in einem Zug an unbekannten Städten vorbei und dann lege ich meine Stirn an das kühle Fenster und schaue nur noch raus. Und dann wundere ich mich, weshalb das für Andere so normal ist. Die Dämmerung. Das orange Licht am Horizont und die Lichter, die in sich verschwimmen, die eins werden und die Anonymität, die sich über einen legt und die Arme der Nacht, die dich packen und die alles anders machen. Wann sind wir nachts schon wir selbst?  Oder sind wir ausschließlich dort wir selbst? Das ist meine ganz persönliche Definition von Schönheit in der Natur. Immer, wenn ich etwas sehe vergleiche ich es mit der Schönheit des untergehenden Lichts und des Funkelns. Manchmal glaube ich ich liebe die Nacht so sehr, weil wir uns dort verändern können. Ich kann anders sein. Lauter. Manchmal grüblerischer. Manchmal aber kann ich dieses ewige Nachdenken auch wegsperren. Manchmal lege ich alles das in meine Füße. Beim Tanzen wird mein Kopf leer. kennst du diesen ekstatischen Moment wenn du den Kopf in den Nacken legst, die Augen geschlossen und in diesem einen Augenblick fühlst du dich wie ein Feuerwerk, ein moment der genauso kurz währt, genauso schön und eindrücklich ist. Wenn ich nachts durch die Straßen gehe, fühle ich mich unbeobachtet. Dann bekommen Bermudadreiecke auf einmal Flair. Nachts sind andere Orte belebt als tagsüber. Und erst nachts erkennt man, wie eine Stadt oder ein Ort wirklich ist. Es gibt viele Arten wie ich die Nacht erlebe. Manchmal im Auto, mit meinem Nacht-Soundtrack im CD-Player. Manchmal in der Disco, beim feiern bis man keinen Schritt mehr gehen kann und draußen fluchend die Schuhe auszieht. Manchmal in einer Bar, in der die Leute kommen und gehen und man sich mit einem heimlichen Lächeln ihre Blicke stiehlt. Manchmal einfach so eingehakt bei Freunden, durch die Straßen ziehend und redend. Manchmal in einem kleinen Kaff auf einem Spielplatz mit Menschen die toll sind, und manchmal entstehen die größten Gespräche immer nachts. Manchmal drehen wir Biostunden und das, das werde ich vermissen, irgendwann. Manchmal erlebe ich die Nacht auch alleine. Der moment, in dem ich aus dem Auto steige beispielsweise. Der Moment, wenn ich mich auf die Steinstufen neben der Haustür setze udn im Mondlicht die Kamera heraushole und mir alle Bilder nochmal ansehe. Manchmal im Regen, unter einem Regenschirm, mit nassen Haarspitzen und manchmal  einsam vor dem flackernden Fernseher mit guten DVDs und gutem Rotweinschorle. Ich liebe den Moment in dem der Tag zur Nacht wird weil er grau ist. Ganz genau wie ich. ich liebe den moment, wenn die dämmerung einsetzt, weil ich mich dort nicht für die eine oder die andere maske entscheiden muss. weil vielleicht sind das die einzigen momente in denen man nackt ist. oder nicht? das sind die versöhnlichen momente, in denen alles andere klein wird. die dämmerung ist größer als wir alle.

You float like a feather ...

Die meiste Zeit ist alles in mir schwer.

Die meiste Zeit denke ich zu viel nach. Ich fühle mich schwer und unbändigbar, ich trample durch diese Welt, die meiste Zeit fühle ich mich zu laut, selbst wenn ich viel zu leise bin, die meiste Zeit versuche ich nicht aufzufallen und falle dadurch auf. Die meiste Zeit grabe ich mit den Händen im Himmel auf der Suche nach Sternen, die meiste Zeit versinke ich in kompliziert aneinander gereihten Worten, an an verschnörkelten Anatomien großer Buchstaben, die meiste Zeit verschwimmt alles im Augenwinkel zu einem blinden Fleck, die meiste Zeit sehe ich weg und  atme aus. Die meiste Zeit versuche ich, zu schwimmen und gehe dabei unter und die Wellen schäumen auf und überdecken mein Versagen. DIe meiste Zeit bin ich viel, viel zu schwer. Zu voll gepackt mit Gedanken, Zweifeln, Ängsten, Regeln, Grenzen, Händen, Worten, Bildern, ich bin zu voll an Eindrücken,Erinnerungen. Werde von meinem eigenen Gewicht erdrückt.

Aber es gibt einen Ort, da ist das nicht so.Da fühle ich mich wie eine Feder. Dann, nur dann ist alles federleicht. Mein Kopf ist leergefegt und ich atme zum ersten Mal ein. Dann schwimme ich nicht nur, sondern dann renne ich und fliege ich. Nur dann ,dann werden die großen Buchstaben klein und verschwinden völlig, weil es in mir keine Worte mehr gibt, um diesen Ort zu beschreiben. Weil alles in mir zum ersten Mal völlig still ist, wenn ich die Augen schließe und deinem Atem nachlausche. Es sind Momente völliger Ruhe, obgleich doch alles in mir tobt, ist doch alles in mir still. Der Sturm ist gelegt, der Löwe eingefangen, die Gittertür steht dennoch weit offen. Ich sehe scharf. Es ist ganz einfach und ich bin süchtig nach dieser Stille und diesem Herzschlag, den ich mal unter meiner Fingerkuppe gespürt habe. 
Es gibt einen Ort, an dem alles anders ist.

wenn ich abtauche in eine andere Welt.

als die ersten minuten verstrichen habe ich aus dem fenster geschaut. mir ist so viel aufgefallen. ich habe gesehen wie die reklameschilder geflackert haben - das vordere, manchmal hat es ganz ausgesetzt, während das hintere durchgehend eine grinsende giraffe gezeigt hat. ich habe mich selbst gesehen im spiegel des zugfensters, auf meinen knien ein aufgeschlagenes buch,"one day" von david nicholls (ich mag den deutschen titel nicht), im rechten ohr ein kopfhörer, die rechte hand noch dabei das richtige lied zu wählen. ich hab mich gezwungen zu atmen wie ich immer atme, ich habe versucht meine augenbrauen in die höhe zu ziehen und mich anzugrinsen. mir ist es kurz eng ums herz geworden, ich habe ganz kurz eiskalte finger gespürt, die zudrückten. dann hat auf einmal jemand an meinem linken ohr gegrölt, irgendein fußballclub, und ein geschäftsmann hat sich mit reisetrolley und buch neben mich gesetzt und hat einen geruch nach döner und knoblauchsoße mit sich gebracht. er hat sich da hingesetzt und gemerkt wie ich ihn anstarre und irgendwann hat er "hallo" gesagt. ich habe es erwidert und dann wieder aus dem fenster gesehen. dann habe ich mich in der geschichte von emma und dexter vertieft und  als der zug ins rollen kam,  hat mich diese ganze normalität um mich herum so gepackt, dass ich wieder da war. einfach wieder zurück. und trotzdem habe ich diesen moment als das herz geflattert und gefleht und nach luft geschnappt hat, genossen. er hat mir gezeigt, was ich fühlen kann. er hat mir gezeigt, dass ich fühlen kann.

" und wenn ich an die 'guten alten zeiten' denke, denke ich an diesen ort"

Ich höre gerade einen Song von Coldplay, "See you soon".Er singt " In a bullet-proof vest, with the windows all closed, I'll be doing my best. " Weniger der Text, als mehr die Musik erinnert mich schmerzlich an eine Zeit, in der alles anders war. Gestern Nacht war ich für einige Stunden an dem Ort, an dem alles begonnen hatte. Diese kleine Kneipe ist für mich der Ort, an den ich denke, wenn ich an uns denke, früher, an die, die wir waren bevor uns die Zeit auseinandergeschwemmt hat wie Fetzen kleiner Blätter, die im Wasser taumeln. Ich stand dort, ich hab mit geschlossenen Augen all die Gesichter gesehen, die an uns vorbeigeströmt sind, habe an die Menschen gedacht die ich dort kennengelernt habe. Die Barkeeper,die Musik,der Ort, es ist alles noch das Gleiche. Aber die Menschen, es ist, als fließen sie durch. Ich habe mich alt gefühlt. Zum ersten Mal habe ich mich alt und fremd gefühlt an einem Ort, den wir mal in-und auswendig kannten. Wenn ich erst ins Erzählen komme von diesen Freitagen vor vier Jahren, dann glaube ich, bekommt mein Gesicht dieses Etwas, das mir manchmal so fehlt, dieses Funkeln,diese Zufriedenheit. Der Ort bleibt gleich bis in alle Ewigkeit und die Menschen fließen durch ihn hindurch. Jeder hinterlässt einen Fingerabdruck. Ich bin an der Tür des Mädchenklos vorbeigegangen, die sich wohl seit Erbauen des Kellers nicht schließen lässt und habe durch den Spalt hindurch Miniröcke gesehen und Mädchen die sich neben Klopapierrollen den Lippenstift nachziehen, ich hab die Augen geschlossen und mich selbst vor dem kleinen Tattooladen stehen sehen  und auf die Menschen warten, auf die ich jede Freitagnacht gewartet habe. ich habe mich selbst gesehen, immer mit Musik im Ohr, der Kopfhörerjunge, das deshalb fast einmal vom Auto überfahren wurde. Ich habe meine gehetzten Blicke gesehen, die an den Leuten, die an mir vorübergingen, einfach abgeprallt waren. Ich bin die Treppe hinuntergelaufen, die leere Bühne war von blauem und grünem Licht durchtränkt und mit weißem Sternenstaub gesprenkelt. Es sah so schön aus und mein Blick fiel nach links, zu dem kleinen, wackligen Tisch direkt neben dem DJ-Pult, unser Stammplatz, der uns gehört hat. Jetzt sitzen dort kleine Justin-Bieber- Doubles mit zu viel Haarspray im schrägen Pony und Mädchen mit Zahnspangen und glühenden Wangen. Aber für einen Augenblick, in dem es das Bild vor meinem Auge verschoben hat, habe ich uns dort sitzen sehen. Ich habe die Menschen gesehen um uns herum, die gekommen und gegangen sind. Ich habe mich allein dort sitzen sehen, das Gesicht erleuchtet vom Display des Handys, ich habe mich Korea trinken sehen, ich habe uns anstoßen und lachen sehen, reden, schweigen. Ich habe gesehen, wie wir uns kokett über das DJ-Pult gelehnt und uns Songs gewünscht haben. Dann habe ich die Augen geöffnet und  bin durch den Kellerraum gegangen, ich habe mich so alt gefühlt. So fremd. So ist es mit jeder Erinnerung. Ich erinnere mich an alles, was uns ausgemacht hat, ich erinnere mich an die dunkelsten Stunden, an die lautesten Partys, an die größten Lachanfälle, an die verrücktesten Aktionen. Ich vermisse das alles manchmal. Wir waren eins. Und jetzt sind wir durchgeschnitten und zerbrochen, wir sind vom Wind in alle Richtungen davongetrieben worden, wir sind zerstoben wie Staubpartikel im Luftsog, wir sind untergegangen im Meer des Lebens. Wir sind verschwunden, von heute auf Morgen, sind wir über Nacht einfach verschwunden. Es gibt uns jetzt nicht mehr, wir sind erwachsen geworden. Und dabei sind wir es doch nicht, wir sind so meilenweit weg vom "Erwachsen sein" wie nur irgendmöglich, und trotzdem wird es nie wieder so wie dort sein. Es sind nicht nur die Freitagnächte. Es war jede Sekunde dazwischen.