Montag, 26. September 2011

" und wenn ich an die 'guten alten zeiten' denke, denke ich an diesen ort"

Ich höre gerade einen Song von Coldplay, "See you soon".Er singt " In a bullet-proof vest, with the windows all closed, I'll be doing my best. " Weniger der Text, als mehr die Musik erinnert mich schmerzlich an eine Zeit, in der alles anders war. Gestern Nacht war ich für einige Stunden an dem Ort, an dem alles begonnen hatte. Diese kleine Kneipe ist für mich der Ort, an den ich denke, wenn ich an uns denke, früher, an die, die wir waren bevor uns die Zeit auseinandergeschwemmt hat wie Fetzen kleiner Blätter, die im Wasser taumeln. Ich stand dort, ich hab mit geschlossenen Augen all die Gesichter gesehen, die an uns vorbeigeströmt sind, habe an die Menschen gedacht die ich dort kennengelernt habe. Die Barkeeper,die Musik,der Ort, es ist alles noch das Gleiche. Aber die Menschen, es ist, als fließen sie durch. Ich habe mich alt gefühlt. Zum ersten Mal habe ich mich alt und fremd gefühlt an einem Ort, den wir mal in-und auswendig kannten. Wenn ich erst ins Erzählen komme von diesen Freitagen vor vier Jahren, dann glaube ich, bekommt mein Gesicht dieses Etwas, das mir manchmal so fehlt, dieses Funkeln,diese Zufriedenheit. Der Ort bleibt gleich bis in alle Ewigkeit und die Menschen fließen durch ihn hindurch. Jeder hinterlässt einen Fingerabdruck. Ich bin an der Tür des Mädchenklos vorbeigegangen, die sich wohl seit Erbauen des Kellers nicht schließen lässt und habe durch den Spalt hindurch Miniröcke gesehen und Mädchen die sich neben Klopapierrollen den Lippenstift nachziehen, ich hab die Augen geschlossen und mich selbst vor dem kleinen Tattooladen stehen sehen  und auf die Menschen warten, auf die ich jede Freitagnacht gewartet habe. ich habe mich selbst gesehen, immer mit Musik im Ohr, der Kopfhörerjunge, das deshalb fast einmal vom Auto überfahren wurde. Ich habe meine gehetzten Blicke gesehen, die an den Leuten, die an mir vorübergingen, einfach abgeprallt waren. Ich bin die Treppe hinuntergelaufen, die leere Bühne war von blauem und grünem Licht durchtränkt und mit weißem Sternenstaub gesprenkelt. Es sah so schön aus und mein Blick fiel nach links, zu dem kleinen, wackligen Tisch direkt neben dem DJ-Pult, unser Stammplatz, der uns gehört hat. Jetzt sitzen dort kleine Justin-Bieber- Doubles mit zu viel Haarspray im schrägen Pony und Mädchen mit Zahnspangen und glühenden Wangen. Aber für einen Augenblick, in dem es das Bild vor meinem Auge verschoben hat, habe ich uns dort sitzen sehen. Ich habe die Menschen gesehen um uns herum, die gekommen und gegangen sind. Ich habe mich allein dort sitzen sehen, das Gesicht erleuchtet vom Display des Handys, ich habe mich Korea trinken sehen, ich habe uns anstoßen und lachen sehen, reden, schweigen. Ich habe gesehen, wie wir uns kokett über das DJ-Pult gelehnt und uns Songs gewünscht haben. Dann habe ich die Augen geöffnet und  bin durch den Kellerraum gegangen, ich habe mich so alt gefühlt. So fremd. So ist es mit jeder Erinnerung. Ich erinnere mich an alles, was uns ausgemacht hat, ich erinnere mich an die dunkelsten Stunden, an die lautesten Partys, an die größten Lachanfälle, an die verrücktesten Aktionen. Ich vermisse das alles manchmal. Wir waren eins. Und jetzt sind wir durchgeschnitten und zerbrochen, wir sind vom Wind in alle Richtungen davongetrieben worden, wir sind zerstoben wie Staubpartikel im Luftsog, wir sind untergegangen im Meer des Lebens. Wir sind verschwunden, von heute auf Morgen, sind wir über Nacht einfach verschwunden. Es gibt uns jetzt nicht mehr, wir sind erwachsen geworden. Und dabei sind wir es doch nicht, wir sind so meilenweit weg vom "Erwachsen sein" wie nur irgendmöglich, und trotzdem wird es nie wieder so wie dort sein. Es sind nicht nur die Freitagnächte. Es war jede Sekunde dazwischen.



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